Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen

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Titel
Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen. Die Landschaften und Landstädte, vierter Band. Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, zwei Teilbände, bearbeitet von Sibylle Malamud


Herausgeber
Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins
Reihe
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen (14)
Erschienen
Basel 2020: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
1070 S.
von
Hans Jakob Reich

Nach sechsjähriger Arbeit sind im November 2020 die beiden Teilbände der Rechtsquellen der Region Werdenberg erschienen. Die 1070 Buchseiten umfassende Edition ist ein wesentlicher Teil der umfangreichen St. Galler Beiträge zur Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen und schliesst die Lücke zwischen dem Sarganserland und dem Rheintal, zu denen die jeweiligen Quelleneditionen 2013 und 2018 erschienen sind. Die Werdenberger Ausgabe bezieht sich auf die Grafschaft Werdenberg, die Herrschaft Wartau (Burg Wartau und Etter Gretschins), die Freiherrschaft Sax-Forstegg und die Herrschaft Hohensax-Gams. Das Editionsgebiet umfasst somit nebst einem kleinen Teilgebiet der heutigen politischen Gemeinde Wartau – der grössere Teil davon ist in den Bänden zum Sarganserland enthalten – die politischen Gemeinden Sevelen, Buchs, Grabs, Gams und Sennwald. Die Edition behandelt Dokumente der Jahre 1050 bis 1798 und bildet somit die Fortsetzung und Ergänzung des Urkundenbuchs der südlichen Teile des Kantons St. Gallen, des Liechtensteinischen und des Bündner Urkundenbuchs, die ihrerseits bis in die Quellen des Frühmittelalters zurückgehen. Mit der Werdenberger Edition ist nun das ganze zur Alten Eidgenossenschaft gehörende Gebiet des Alpenrheintals rechtsquellenmässig erschlossen.

Der erste Teilband (329 Seiten) beinhaltet die Einleitung mit aufschlussreichen Ausführungen zur Edition, einen fundierten geschichtlichen Überblick über die behandelten Herrschaften sowie die Verzeichnisse zu den Quellen. Gegen 200 Seiten umfassen die hilfreichen Register der Personen, Familien und Organisationen, das Ortsregister, das Sachregister und das Glossar.

Der zweite Teilband (741 Seiten) enthält den Editionsteil mit den 259 behandelten Schriftstücken. Sie werden jeweils erschlossen mit einem Regest, einer Stückbeschreibung, allenfalls weiteren Überlieferungen, einem Kommentar und dem vollständigen Editionstext.

Die Werdenberger Edition erscheint in 200 gedruckten Exemplaren, die den Zweck einer Referenzpublikation zu erfüllen haben. Tatsächlich nämlich handelt es sich um die erste Editionseinheit, die vollumfänglich digital erarbeitet wurde und im seit 2018 aufgeschalteten Portal der Rechtsquellenstiftung (SSRQ-online) für alle Interessierten frei zugänglich ist, inklusive Faksimiles der meisten der behandelten Stücke. Mit der überzeugend konzipierten digitalen Edition wurde beispielhaft umgesetzt, was im Projektbeschrieb von 2010 so formuliert worden war: «Ziel ist es, mit Hilfe von modernen computerlinguistischen Methoden die Suchmöglichkeiten und Darstellungsvarianten zu verfeinern. Diese verbesserten Zugriffsfunktionen kommen künftig nicht nur Historikern, Juristen und Volkskundlern, sondern auch allen Sprachforschenden zugute. Die digitale Edition bietet zudem den Vorteil, dass ortsunabhängig und zu jeder Zeit die Quellen sowie die Kommentare eines oder mehrerer Bände auf die verschiedensten Fragestellungen hin untersucht werden können.»

Die edierten Quellen umfassen einen Zeitraum von über 700 Jahren. Sie geben Einblicke in die politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse vom Hochmittelalter bis in die Neuzeit, vom Entstehen der feudalen Herrschaften über deren Ablösung durch die Herrschaft der eidgenössischen Orte bis zum Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft und der Auflösung der Untertanengebiete. Die älteste Urkunde (12. Juli 1050) betrifft die Verleihung eines Forstes mit kaiserlichem Bann zwischen Wartau und Grabs durch Kaiser Heinrich III. ans Bistum Chur. Sie steht, wie die Bearbeiterin Sibylle Malamud vermerkt, als Beispiel früher Erwähnungen von Orts- und Flurnamen. Es folgen Urkunden des 13. Jahrhunderts, die das Auftreten der Freiherren von Sax und der Grafen von Werdenberg belegen: eine Stiftung vom 15. März 1210, mit der ersten urkundlichen Erwähnung der Burg Hohensax, und eine Urkunde vom 2. Mai 1259, in der sich erstmals ein Montforter, Graf Hartmann I., «von Werdenberg» nennt. Die weiteren Dokumente zeugen von der historischen Mannigfaltigkeit der Region und den sich wandelnden Herrschaftstraditionen. Berührt werden vielfältigste Rechtsgebiete, zum Beispiel Eigentumsund Herrschaftsrechte, Gerichtsbarkeiten, Privilegien und Regalien, Verwaltungsorganisationen, Handel und Zoll, Reformen, Verhältnisse zu den eidgenössischen Ständen, Eheund Erbrecht, Sittenmandate, Gesundheitswesen, Polizeiordnungen, Strafrecht oder auch Regelungen zur Raubtierjagd und deren Entschädigung. Eingang gefunden hat auch eine Notiz aus dem späten 18. Jahrhundert über «Abwehrzauber gegen Hexen, böse Menschen und Geister». Abgeschlossen wird die Edition mit Dokumenten von 1798 zur Entlassung der Glarner Landvogtei Werdenberg und der Herrschaft Hohensax-Gams in die Freiheit.

Für die Finanzierung des Werks waren gemäss Finanzierungsplan (ohne die Publikationskosten) gut 530’000 Franken erforderlich. Daran leisteten der Kanton St. Gallen 200’000 Franken und die Werdenberger Gemeinden 100’000 Franken. Weitere Beiträge kamen aus den Lotteriefonds der Kantone Glarus, Zürich und Schwyz – der Nachfolger der einstigen Landesherren – sowie von Stiftungen und Historischen Vereinen.

Der finanzielle Aufwand und das enorme Engagement der Bearbeiterin und der Projektleitung haben ein anspruchsvolles Projekt Wirklichkeit werden lassen, das sich in einem hochwertigen Quellenwerk manifestiert und der rechtshistorischen und regionalgeschichtlichen Forschung – auch dank des pionierhaften Einbezugs zeitgemässer digitaler Möglichkeiten – auf lange Sicht wertvolle Dienste und fruchtbare Anregungen leisten wird.

Zitierweise:
Reich, Hans Jakob: Rezension zu: Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins (Hg.), Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, vierter Band. Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, zwei Teilbände, bearbeitet von Sibylle Malamud, Basel 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 72 (1), 2022, S. 141-142. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00102>.

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